Bei der unentgeltlichen Nutzungsüberlassung einer Wohnung handelt es sich um Naturalunterhalt, der in Höhe der ortsüblichen Miete beim Realsplitting berücksichtigt werden kann. Die ortsübliche Miete ist auch dann anzusetzen, wenn die Parteien unterhaltsrechtlich einen betragsmäßig geringeren Wohnvorteil vereinbart haben (BFH-Urteil vom 29.6.2022, X R 33/20). Allerdings macht der BFH folgende Einschränkung: Sofern die gemeinsamen Kinder weiter in der überlassenen Wohnung verbleiben, bleibt der auf sie entfallende Wohnvorteil bei den nach § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG abziehbaren Unterhaltsleistungen außer Betracht.
Dann gibt es noch eine weitere Besonderheit, auf die der BFH hinweist: Die Überlassung einer Wohnung an den geschiedenen oder dauerhaft getrennt lebenden Ehegatten kann auch auf einem entgeltlichen Rechtsverhältnis beruhen. Sprich: Es handelt sich bei der Nutzungsüberlassung nicht um Unterhalt, sondern um eine "echte" Vermietung. Diese unterfällt nicht dem Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG, also dem Realsplitting, sondern ist - wie bei einer Vermietung an Fremde - bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu würdigen.
Im Streitfall hat der BFH die Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung so gewertet, dass keine Vermietung im klassischen Sinne gewollt war, sondern Naturalunterhalt. Das kann im Einzelfall aber anders sein, insbesondere wenn explizit von einer "Wohnraumvermietung" die Rede ist oder sich im Vertragstext die Begriffe "Miete" oder "Entgelt" finden.