Wann erkennt das Finanzamt ein Disagio steuermindernd an?
Bei Finanzierung eines Hauses oder einer Eigentumswohnung mittels Darlehen wird häufig ein Disagio vereinbart. Das Disagio - auch Damnum genannt - wird vom Darlehensbetrag einbehalten und ist quasi eine Vorauszahlung auf die Zinsen. Denn dadurch verringern sich der Zinssatz und die monatliche Ratenzahlung während des Zeitraums, für den das Disagio vorausbezahlt wird.
Der Nachteil ist: Wegen des nicht ausgezahlten Disagios ist ggf. ein höherer Kreditbetrag aufzunehmen, zu verzinsen und zurückzuzahlen als bei einem Kredit ohne Disagio. Aber es gibt auch einen gewichtigen Vorteil: Falls das Haus bzw. die Wohnung vermietet wird, kann das Disagio in voller Höhe als Werbungskosten abgesetzt werden, sofern es "marktüblich" ist (§ 11 Abs. 2 Satz 4 EStG).
Seit 2004 kann ein Disagio bei mindestens fünfjähriger Zinsfestschreibung nur noch in Höhe von 5 % der Darlehenssumme sofort als Werbungskosten abgezogen werden. Der darüber hinausgehende Betrag muss auf den Zeitraum der Zinsfestschreibung oder - wenn dieser fehlt - auf die Laufzeit des Darlehens verteilt werden (BMF-Schreiben vom 20.10.2003, BStBl. 2003 I S. 546).
Kürzlich hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass auch ein höheres Disagio als 5 % noch "marktüblich" sein kann und deshalb als Werbungskosten absetzbar ist.
Somit ist ein marktübliches Disagio, das für einen Kredit mit einer Laufzeit von mehr als fünf Jahren zu zahlen ist, nicht auf die Laufzeit zu verteilen, sondern kann im Jahr der Zahlung in voller Höhe abgezogen werden. Ein Disagio von 10 % bei 10-jähriger Kreditlaufzeit kann durchaus "marktüblich" und somit in voller Höhe absetzbar sein (BFH-Urteil vom 8.3.2016, IX R 38/14).
- Der Begriff "marktüblich" bezieht sich auf das jeweils konkret betroffene Disagio. Bezogen auf die dargelegte Funktion eines Disagios ergibt sich die Marktüblichkeit aus der Höhe des Disagios im Verhältnis zur Höhe und Laufzeit des Kredits, dies in Relation zu den aktuellen Verhältnissen auf dem Kreditmarkt: Was marktüblich ist, ist nach den aktuellen Verhältnissen auf dem Kreditmarkt bezogen auf das konkrete finanzierte Objekt zu entscheiden. Die Marktüblichkeit an einen festen Zinssatz zu koppeln, kommt insoweit nicht in Betracht.
- Abzugrenzen ist das marktübliche Disagio von "ungewöhnlichen" Gestaltungen, die sich nicht in dem auf dem aktuellen Kreditmarkt üblichen Rahmen halten. Wann dies der Fall ist, ist eine Frage der tatrichterlichen Würdigung.
- Wird eine Zins- und Disagiovereinbarung mit einer Geschäftsbank wie unter fremden Dritten geschlossen, indiziert dies die Marktüblichkeit. Angesichts der üblichen Pflicht von Geschäftsbanken zur Risikokontrolle sind mit einer Geschäftsbank vereinbarte Zinsgestaltungen regelmäßig als im Rahmen des am Kreditmarkt Üblichen zu betrachten. Diese Vermutung kann widerlegt werden, wenn besondere Umstände vorliegen, die dafür sprechen, dass der Rahmen des am Kreditmarkt Üblichen verlassen wird. Solche Umstände können etwa in einer besonderen Kreditunwürdigkeit des Darlehensnehmers, besonderen persönlichen Beziehungen der Beteiligten zueinander oder ganz atypischen Vertragsgestaltungen liegen.