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Wann sind Prozesskosten absetzbar?

Bei der steuerlichen Anerkennung von Kosten eines Zivilprozesses war der Fiskus schon immer sehr knauserig: Solche Kosten wurden nur selten als "zwangsläufig" angesehen und deshalb meistens als außergewöhnliche Belastungen abgelehnt. Nur im Ausnahmefall wurden solche Kosten anerkannt, und zwar dann, wenn der Rechtsstreit einen existenziell wichtigen Bereich oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt.

(1) Im Mai 2011 hatte der Bundesfinanzhof diese enge Sichtweise aufgegeben und die Möglichkeiten zur steuerlichen Absetzbarkeit deutlich ausgeweitet: Zivilprozesskosten sollten unabhängig vom Gegenstand des Prozesses immer dann aus rechtlichen Gründen als zwangsläufig gelten und damit als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden, wenn die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. "Der Erfolg muss mindestens ebenso wahrscheinlich sein wie ein Misserfolg" (BFH-Urteil vom 12.5.2011, BStBl. 2011 II S. 1015).

(2) Im Juni 2015 hat der Bundesfinanzhof seine großzügige Rechtsprechung für die Jahre vor 2013 wieder aufgegeben und hält an seinem steuerzahlerfreundlichen Urteil vom 12.5.2011 nicht länger fest. Jetzt gilt wieder: Kosten eines Zivilprozesses sind grundsätzlich nur dann als zwangsläufig anzusehen, wenn auch das dem Prozess zugrunde liegende Ereignis für den Steuerbürger zwangsläufig ist. Daran fehlt es im Allgemeinen bei einem Zivilprozess, sodass die Prozesskosten nicht als außergewöhnliche Belastungen absetzbar sind (BFH-Urteil vom 18.6.2015, VI R 17/14).

(3) Seit 2013 hat der Gesetzgeber das bürgerfreundliche Urteil des BFH ausgehebelt und gesetzlich geregelt, dass Prozesskosten nur im Ausnahmefall als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG - unter Anrechnung einer zumutbaren Belastung - absetzbar sind, "wenn der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können" (§ 33 Abs. 2 Satz 4 EStG).

Aktuell hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz entschieden, dass Kosten, die durch Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Errichtung eines Eigenheims entstanden sind, nicht als außergewöhnliche Belastungen steuerlich abzugsfähig sind (Urteil vom 7.5.2020, 3 K 2036/19).

Tipp: Aktuell hat das Finanzgericht Münster entschieden, dass Prozesskosten zur Erlangung nachehelichen Unterhalts als Werbungskosten absetzbar sind, wenn der Unterhaltsempfänger die Unterhaltsleistungen als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 1a EStG versteuert (FG Münster vom 3.12.2019, 1 K 494/18 E).

Der Fall: Die Klägerin und ihr mittlerweile geschiedener Ehemann trennten sich im Jahr 2012. Vor dem Amtsgericht führten beide ein familienrechtliches Streitverfahren, das die Scheidung, den Versorgungsausgleich sowie den nachehelichen Unterhalt umfasste. Im Jahr 2014 wurde die Ehe durch Beschluss des Amtsgerichts geschieden und der frühere Ehemann der Klägerin zu monatlichen Unterhaltszahlungen verpflichtet. Gegen den Beschluss des Amtsgerichts klagte die Frau auf höhere monatliche Zahlungen.

Im Jahr 2015 kam ein gerichtlicher Vergleich über die Unterhaltshöhe zustande. In ihrer Einkommensteuererklärung 2015 erklärte die Klägerin sonstige Einkünfte in Höhe der erhaltenen Unterhaltszahlungen und machte die Prozesskosten (Gerichts- und Rechtsanwaltskosten) steuermindernd geltend. Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung ab.

Nach Auffassung der Richter sind bei der Unterhaltsempfängerin die Prozesskosten als Werbungskosten zu berücksichtigen, weil sie die Unterhaltszahlungen von ihrem Ex-Gatten nach § 22 Nr. 1a EStG versteuert. Die Frau habe die Prozesskosten aufgewendet, um zukünftig (höhere) Einkünfte in Form von Unterhaltsleistungen zu erhalten. Die Unterhaltszahlungen seien gemäß § 22 Nr. 1a EStG als steuerpflichtige Einkünfte zu behandeln, weil der Ex-Gatte als Zahlungsverpflichteter die Möglichkeit gehabt habe, seine Unterhaltszahlungen als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1a EStG abzuziehen, sog. Realsplitting. Die Unterhaltszahlungen würden den übrigen Einkünften insoweit vollständig gleichgestellt. Daraus folge, dass auch ein Werbungskostenabzug vollumfänglich möglich sein müsse.

 

Lohnsteuer kompakt

Seit 2013 sind Kosten eines Zivilprozesses nur im Ausnahmefall als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG - unter Anrechnung einer zumutbaren Belastung - absetzbar, "wenn der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können" (§ 33 Abs. 2 Satz 4 EStG).

Ungeklärt war bislang die Frage, ob unter Existenzgrundlage nur die "materiellen" Lebensgrundlagen zu verstehen sind oder ob dazu auch eine "immaterielle" Grundlage gehört, die den Kernbereich menschlichen Lebens betrifft. Hierunter fallen unter anderem psychische sowie ideelle Lebensgrundlagen. Auch die Liebe zu dem eigenen Kind und deren Fürsorge sind soziale Bedürfnisse, die den "immateriellen" Bereich eines Menschen betreffen.

Der Bundesfinanzhof jedenfalls versteht als Existenzgrundlage bisher allein die materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen. Seelische und soziale Bedürfnisse sollen nicht darunter fallen. Die Gefahr des Verlustes einer psychischen oder ideellen Existenzgrundlage soll nicht erfasst werden (BFH-Urteil vom 18.5.2017, VI R 9/16).

Nach Auffassung zweier Finanzgerichte sind die Begriffe "Existenzgrundlage" und "lebensnotwendige Bedürfnisse" auch in einem immateriellen Sinn zu deuten. Daher sollen Rechtsstreitigkeiten, die zwangsläufig erwachsen und den "Kernbereich des menschlichen Lebens" betreffen, ebenfalls als außergewöhnliche Belastungen absetzbar sein (FG Düsseldorf vom 13.3.2018, 13 K 3024/17 E; FG München vom 7.5.2018, 7 K 257/17).

Aktuell hat der Bundesfinanzhof die strittige Frage nun entschieden: Existenzgrundlage im Sinne des Gesetzes sei allein die materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen, nicht jedoch dessen immaterielle Existenzgrundlage. Es sei auch verfassungsrechtlich nicht geboten, die Begriffe der Existenzgrundlage und der lebensnotwendigen Bedürfnisse in einem immateriellen Sinne zu deuten. Aufgrund der gesetzlichen Neuregelung ab 2013 sind Streitigkeiten, die einen "Kernbereich des menschlichen Lebens" berühren, nicht mehr steuerlich absetzbar (BFH-Urteile vom 13.8.2020, VI R 15/18 und VI R 27/18).

Sechs negative Entscheidungen:

  1. Prozesskosten im Zusammenhang mit einem Streit um das Umgangsrecht eines Vaters mit seinem Kind, das im Ausland bei der Mutter lebt und nach Deutschland zurückkehren soll, können nicht als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden. Dies gilt auch, wenn der Streit einen wichtigen Lebensbereich betrifft (BFH-Urteil vom 13.8.2020, VI R 15/18).
  2. Umgangsrecht: Prozesskosten einer Mutter für einen Rechtsstreit über die Abwehr des Umgangsrechts des Vaters mit seinem Kind sind nicht als außergewöhnliche Belastung absetzbar. Hier ging es darum, dem Vater den Umgang mit dem Kind zu untersagen, weil nur dadurch das Kindeswohl gewährleistet sei (BFH-Urteil vom 13.8.2020, VI R 27/18).
  3. Kindesunterhalt: Aufwendungen für einen Unterhaltsrechtsstreit, mit dem höhere Unterhaltszahlungen für die Tochter vom Kindesvater erreicht werden sollen, sind nicht als außergewöhnliche Belastungen absetzbar, wenn die Einkommensverhältnisse der Mutter ohne Existenzgefährdung ausreichend sind (BFH-Urteil vom 13.8.2020, VI R 27/18).
  4. Arzthaftungsprozess: Aufwendungen für einen Schadensersatzprozess gegen den Zahnarzt wegen angeblicher Behandlungsfehler sind nicht als außergewöhnliche Belastungen absetzbar, wenn der Schadensersatz nicht zur Sicherung der materiellen Existenzgrundlage notwendig ist (BFH-Urteil vom 13.8.2020, VI R 27/18).
  5. Aktuell hat der Bundesfinanzhof die Kosten für eine Strafverteidigung des heranwachsenden Kindes nicht als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG anerkannt (BFH-Beschluss vom 11.8.2022, VI R 29/20).
  6. Auch das Finanzgericht Sachsen-Anhalt hat ähnlich geurteilt: Prozesskosten anlässlich eines Rechtsstreits mit dem Jugendamt ums Kindeswohl stellen keine außergewöhnlichen Belastungen dar und können steuerlich folglich nicht abgezogen werden (FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14.2.2023, 5 K 547/21).
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