(2022)
Gibt es Kindergeld auch bei einer längeren Übergangszeit zum Studium?
In einigen Bundesländern, z. B. in Rheinland-Pfalz, wird das Abitur bereits im März abgelegt. Gleichwohl kann ein Studium häufig erst im Oktober oder eine Berufsausbildung erst im September begonnen werden.
Besorgte Eltern fragen nun, ob das Kindergeld in dieser Zeit weiter gewährt wird.
- Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf Kindergeld nur dann, wenn die Übergangszeit zwischen Abitur und Studium oder Berufsausbildung nicht mehr als vier volle Kalendermonate beträgt (Übergangszeit gemäß § 32 Abs. 4 Nr. 2b EStG). Die Übergangszeit ist nicht taggenau zu berechnen, sondern umfasst vier volle Kalendermonate. Endet ein Ausbildungsabschnitt mit dem Abitur im März, muss der nächste spätestens im August beginnen. Diese Viermonatsfrist ist hier überschritten.
- Ist die Übergangszeit länger als vier Monate, greift eine andere Regel für Ihren Kindergeldanspruch: In diesem Fall wird das Kind berücksichtigt, wenn es "eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann" (Wartezeit gemäß § 32 Abs. 4 Nr. 2c EStG). Diese Bedingung ist erfüllt, wenn das Kind sich unmittelbar nach dem Abitur um einen Studien- oder Ausbildungsplatz bewirbt oder bereits eine Zusage zu einem späteren Termin hat (A 17.1 Abs. 1 DA-Kindergeld 2019).
Mitunter kann allerdings fraglich sein, wann ein Studium tatsächlich beginnt und wann es als beendet gilt. Mit dieser Problematik musste sich der BFH kürzlich befassen und hat wie folgt entschieden: Ein Hochschulstudium beginnt mit der erstmaligen Durchführung von Ausbildungsmaßnahmen und endet grundsätzlich dann, wenn das Kind die letzte nach der einschlägigen Prüfungsordnung erforderliche Prüfungsleistung erfolgreich erbracht hat und dem Kind sämtliche Prüfungsergebnisse in schriftlicher Form zugänglich gemacht wurden (BFH-Urteil vom 7.7.2021, III R 40/19).
Der Sachverhalt: Die Klägerin ist die Mutter einer im Mai 1992 geborenen Tochter. Diese war ab März 2015 an einer Hochschule im Masterstudiengang "Management" eingeschrieben. Nachdem die Hochschule der Tochter zunächst den erfolgreichen Abschluss mündlich mitgeteilt hatte, stellte sie den Abschluss und die Abschlussnoten Ende Oktober 2016 online. Die Zeugnisse holte die Tochter Ende November 2016 persönlich im Prüfungsamt ab. Im März 2017 bewarb sie sich für ein weiteres Bachelorstudium im Fach Politikwissenschaft, das sie im April 2017 aufnahm. Die Familienkasse gewährte wegen des Masterstudiums bis einschließlich Oktober 2016 Kindergeld und wegen des Bachelorstudiums ab April 2017. Für März 2016 wurde die Tochter nicht wegen einer Ausbildung, sondern nur wegen ihrer Bewerbung für einen Studienplatz kindergeldrechtlich berücksichtigt. Für den Zeitraum November 2016 bis Februar 2017 lehnte die Familienkasse und nachfolgend auch das Finanzgericht eine Kindergeldfestsetzung ab.
Der BFH hielt die dagegen gerichtete Revision der Klägerin für unbegründet. Danach kommt es für die Frage, wann ein Hochschulstudium beendet ist, regelmäßig nicht auf den Zeitpunkt an, in welchem dem Kind die Prüfungsergebnisse mündlich mitgeteilt wurden. Maßgebend ist vielmehr, dass das Kind die letzte nach der einschlägigen Prüfungsordnung erforderliche Prüfungsleistung erfolgreich erbracht hat. Zudem muss das Kind eine schriftliche Bestätigung über sämtliche Prüfungsergebnisse entweder von der Hochschule zugesandt bekommen haben oder jedenfalls objektiv in der Lage gewesen sein, sich eine solche schriftliche Bestätigung über ein Online-Portal der Hochschule erstellen zu können. Entscheidend ist dann, welches Ereignis früher eingetreten ist. Im Streitfall war daher ausschlaggebend, dass die Hochschule die Abschlussnoten Ende Oktober 2016 online gestellt hatte.
Übergangszeiten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten werden kindergeldrechtlich nur berücksichtigt, wenn sie maximal vier Kalendermonate umfassen. Im Streitfall ging der BFH aber von einer fünf Kalendermonate umfassenden Übergangszeit aus. Denn das Masterstudium endete bereits im Oktober 2016. Das Bachelorstudium begann dagegen noch nicht mit der im März 2017 erfolgten Bewerbung, sondern erst als im April 2017 Ausbildungsmaßnahmen tatsächlich stattfanden.
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Achten Sie darauf, dass das Kind seine Bewerbungen unmittelbar nach dem Abitur vornimmt. Dann nämlich bekommen Sie durchgängig Kindergeld. Bewirbt es sich hingegen erst nach Ablauf von vier Monaten, wird das Kind nach dem Abi nicht mehr berücksichtigt, sondern erst wieder ab dem Monat der ersten Bewerbung als "Kind ohne Ausbildungsplatz".
Wichtig: Die Kinder müssen sich bei mehr als viermonatigen Wartezeiten auf einen Ausbildungsplatz oder Unterbrechungen von Ausbildungen unbedingt arbeits- bzw. ausbildungsplatzsuchend melden, und zwar möglichst zeitnah nach Beendigung bzw. Unterbrechung der jeweiligen Ausbildung. Ein arbeitssuchendes Kind wird bis zum 21. Lebensjahr, ein ausbildungsplatzsuchendes Kind bis zum 25. Lebensjahr berücksichtigt.
Wenn ein Kind z. B. coronabedingt länger als vier Monate warten musste, bevor es z. B. sein freiwilliges soziales Jahr antreten konnte, haben die Eltern ihren Kindergeldanspruch verloren, und zwar komplett für die Übergangszeit und nicht nur für den Zeitraum, der über die Vier-Monats-Frist hinausgeht. Das Kind hätte nicht einfach auf den Start des freiwilligen sozialen Jahres warten dürfen, sondern hätte sich als arbeits- oder ausbildungsplatzsuchend melden müssen. Nur dann wäre der Kindergeldanspruch (zumindest bis zum 21. Lebensjahr) erhalten geblieben (Urteil vom 14.6.2022, 13 K 745/21 Kg).