Bei der steuerlichen Anerkennung von Kosten für einen Zivilprozess war der Fiskus schon immer knauserig: Solche Kosten wurden nur selten als „zwangsläufig“ erachtet und somit meistens als außergewöhnliche Belastungen abgelehnt. Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten nur an, wenn der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte.
Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, ei-nen Zivilprozess zu führen.
- Im Mai 2011 hatte der Bundesfinanzhof diese enge Sichtweise aufgegeben und die Möglichkeiten zur steuerlichen Absetzbarkeit deutlich ausgeweitet: Zivilprozesskosten sollten unabhängig vom Gegenstand des Prozesses immer dann aus rechtlichen Gründen als zwangsläufig gelten und damit als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden, wenn die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. „Der Erfolg muss mindestens ebenso wahrscheinlich sein wie ein Misserfolg“ (BFH-Urteil vom 12.5.2011, VI R 42/10).
- Im Juni 2015 hat der Bundesfinanzhof seine großzügige Rechtsprechung für die Jahre vor 2013 wieder aufgegeben und hält an seinem steuerzahlerfreundlichen Urteil vom 12.5.2011 nicht länger fest. Jetzt gilt wieder: Kosten eines Zivilprozesses sind grundsätzlich nur dann als zwangsläufig anzusehen, wenn auch das dem Prozess zugrunde liegende Ereignis für den Steuerbürger zwangsläufig ist. Daran fehlt es im Allgemeinen bei einem Zivilprozess, sodass die Prozesskosten nicht als außergewöhnliche Belastungen absetzbar sind (BFH-Urteil vom 18.6.2015, VI R 17/14).
Aktuell entscheidet der Bundesfinanzhof derzeit zahlreiche Revisionsverfahren aus der Zeit vor 2013, in denen die Finanzgerichte aufgrund des bürgerfreundlichen BFH-Urteils von 2011 die Kosten eines Zivilprozesses zugunsten der Bürger als außergewöhnliche Belastungen anerkannt hatten. Die neuen BFH-Entscheidungen enden für die Bürger jetzt meistens negativ (BFH-Urteile vom 20.1.2016, VI R 40/16 und VI R 19/14; BFH-Urteile vom 17.12.2015, VI R 7/14 und VI R 78/13; BFH-Urteile vom 19.11.2015, VI R 38/14 und VI R 42/14 u.a.).
Wer bisher wegen abgelehnter Kosten eines Zivilprozesses Einspruch gegen den Steuerbescheid eingelegt und mit Hinweis auf die Revisionsverfahren das Ruhenlassen beantragt hat, wird wohl bald vom Finanzamt eine negative Einspruchsentscheidung erhalten.
Lohnsteuer kompakt: Der Bundesfinanzhof betont – wie schon in der Vergangenheit – auch jetzt wieder, dass der enge Grundsatz, nach dem Zivilprozesskosten keine außergewöhnlichen Belastungen sind, keine starre Regel ist. Vielmehr erfordere die Vielfalt der prozessualen Gestaltungen eine Berücksichtigung des Streitgegenstandes und der Ursachen des Streits (BFH-Urteil vom 19.11.2015, VI R 38/14).
Achtung: Ab 2013 ist die bisherige enge BFH-Rechtsprechung zur Absetzbarkeit von Zivilprozesskosten im Gesetz geregelt: Jetzt werden Prozesskosten nur noch dann als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG anerkannt, „wenn der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können“ (§ 33 Abs. 2 Satz 4 EStG).