Aufwendungen für die Beschäftigung einer Pflegekraft oder für einen ambulanten Pflegedienst sind in tatsächlicher Höhe gegen Nachweis als außergewöhnliche Belastungen allgemeiner Art nach § 33 EStG absetzbar. Abzuziehen sind vorher das erhaltene Pflegegeld aus der gesetzlichen Pflegepflichtversicherung, Pflegegeld aus einer privaten Pflegezusatzversicherung sowie anderweitige Kostenerstattungen und Beihilfen. Auf den verbleibenden Betrag der Pflegekosten rechnet das Finanzamt eine zumutbare Belastung an.
Nun ist es tatsächlich vorgekommen, dass ein Finanzamt im Lande Baden-Württemberg die Kosten für eine polnische Betreuerin bzw. deren polnische Dienstleistungsagentur nicht anerkannt hat. Grund; Die Polin sei keine ausgebildete Pflegefachkraft. Vielmehr seien die Aufwendungen lediglich als haushaltsnahe Dienstleistungen nach § 35a Abs. 2 EStG steuerermäßigt und mit höchstens 4.000 Euro direkt von der Steuerschuld abziehbar.
Aktuell hat das Finanzgericht Baden-Württemberg entschieden, dass der Abzug von Pflegeaufwendungen als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG nicht voraussetzt, dass die Pflegeleistungen von qualifizierten Pflegefachkräften erbracht werden. Eine solche Bedingung ergibt sich weder aus § 33 EStG noch aus § 64 EStDV. Dies gilt nicht nur für die hauswirtschaftliche Versorgung, sondern auch für die Grundpflege. Zur Grundpflege zählen u.a. Körperpflege, Ernährung, Mobilität sowie krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen (FG Baden-Württemberg vom 21.6.2016, 5 K 2714/15).
Sowohl bei der Grundpflege als auch bei der hauswirtschaftlichen Versorgung handelt es sich um Leistungen, die die Krankheit erträglicher machen sollen. Deshalb sind die entsprechenden Aufwendungen auch als Krankheitskosten absetzbar. Eine Abziehbarkeit der Aufwendungen ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich bei den eingesetzten Betreuungskräften nicht um besonders ausgebildetes Pflegefachpersonal handelt. Dies steht auch mit dem Sinn und Zweck der Inanspruchnahme des Pflegegeldes gemäß § 37 SGB XI in Einklang. Damit soll nämlich die Möglichkeit der häuslichen Pflege gefördert und ihr Vorrang vor stationärer Unterbringung gegeben werden.
Neu ist nun eine besondere Spitzfindigkeit: Das Finanzgericht erkennt die Pflegekosten nicht einfach in der gezahlten Höhe an, sondern zählt plötzlich Erbsen. Die Aufwendungen für die Betreuungskräfte seien nur abzugsfähig, „soweit sie den angemessenen Anteil nicht übersteigen„.
Was heißt das für die Pflegekosten?
Zu prüfen sei, ob der „Zeitaufwand für den Hilfebedarf bei den Verrichtungen des täglichen Lebens“ mit dem vereinbarten Betreuungsumfang lt. Dienstleistungsvertrag übereinstimmt. Ist dies nicht der Fall, liege ein offensichtliches Missverhältnis der Kosten zu dem erforderlichen Aufwand vor.
Eine Abziehbarkeit von Pflegeleistungen als außergewöhnliche Belastung, die weit über das hinaus ginge, was üblicherweise für die Versorgung von Pflegebedürftigen zur Verfügung gestellt wird, würde bedeuten, dass die Steuerzahler sich finanziell an einer Versorgung beteiligen müssen, die sie sich für sich selbst nicht leisten könnten.
Beispiel: Eine pflegebedürftige Person benötigt gemäß Gutachten des Medizinischen Dienstes für die Grundpflege 168 Minuten. Die hauswirtschaftliche Versorgung nimmt weitere 60 Minuten täglich in Anspruch. Der Dienstleistungsvertrag für die Betreuung umfasst insgesamt 40 Stunden wöchentlich.
- Grundpflege: 168 Minuten/Tag x 7 Tage ergibt 19,6 Stunden/Woche. Das sind 49 % von 40 Stunden.
- Hauswirtschaftliche Versorgung: 60 Minuten/Tag x 7 ergibt 7 Stunden/Woche. Das sind 17,5 % von 40 Stunden.
- Die Betreuung erfordert lt. Gutachten also 26,6 Stunden pro Woche. Bei einem vereinbarten Betreuungsumfang von 40 Wochenstunden sind dies 66,5 %.
- Insgesamt absetzbar sind die Pflegekosten der Betreuung in Höhe von 30.000 Euro nur mit 66,5 %, also in Höhe von 19.950 Euro . Davon ist das erhaltene Pflegegeld aus der Pflegeversicherung abzuziehen.
Eine Bekannte übernimmt gerade die Grundpflege unserer Mutter. Sie hat früher im Pflegedienst gearbeitet und weiß daher, was sie macht. Gut zu wissen, dass die Pflegekosten nicht vollständig von der Steuer absetzbar sind.
(Werbelink entfernt; Grund: kommerzielle Werbung; Ihre Redaktion)