Kinder machen gelegentlich Dummheiten, die strafrechtlich relevant sind. Dann kann es vorkommen, dass das Kind in Untersuchungshaft und ggf. in Haft kommt und deswegen seine Berufsausbildung unterbrechen muss. Die Fra-ge ist, ob der Kindergeldanspruch während der Haftzeit weiter bestehen bleibt.
Wenn das Kind in Untersuchungs- oder Strafhaft genommen wird und die Ausbildung während der Haft nicht fortsetzt, nimmt die Familienkasse eine schädliche Unterbrechung der Berufsausbildung an – mit der Folge, dass der Anspruch auf Kindergeld oder die steuerlichen Kinderfreibeträge wegfällt (A 15.10, Abs. 8 DA-KG 2017). Doch der Bundesfinanzhof hatte hier eine Differenzierung vorgenommen:
- Die Unterbrechung der Berufsbildung durch Untersuchungshaft ist – ähnlich wie eine Erkrankung – dann unschädlich, wenn das Kind unschuldig in Untersuchungshaft sitzt und letztlich vom Tatvorwurf freigesprochen wird (BFH-Urteil vom 20.7.2006, III R 69/04).
- Wenn aber die Berufsausbildung des Kindes durch eine Untersuchungshaft mit anschließender Gefängnisstrafe unterbrochen wird, so ist dies schädlich und führt zum Verlust des Kindergeldes. Denn in diesem Fall hat das Kind seine Haftstrafe zu vertreten, weil es z. B. wegen Drogenhandels eine Straftat begangen hat und deshalb rechtskräftig zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde (BFH-Urteil vom 23.1.2013, XI R 50/10).
Aktuell hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass im Falle der Untersuchungshaft eine nur „vorübergehende Unterbrechung“ der Berufsausbildung nicht vorliegt, wenn das Kind weder während der Untersuchungshaft noch im Anschluss an die Haft eine Ausbildung beginnt oder fortsetzt (BFH-Urteil vom 18.1.2018, III R 16/17).
Der Fall: Das Kind war in Berufsausbildung und wurde wegen Raub und schwerer Körperverletzung ein Jahr lang in Untersuchungshaft genommen, aber letztlich vom Tatvorwurf freigesprochen. In der Haftanstalt bestand keine Möglichkeit, eine Ausbildung durchzuführen, und leider kündigte der Ausbildungsbetrieb das Ausbildungsverhältnis. Nach der Haft wurde eine Ausbildung nicht mehr aufgenommen. Die Familienkasse strich ab Beginn der Untersuchungshaft das Kindergeld.
Nach Auffassung des BFH ist nicht darauf abzustellen, ob das Ausbildungsverhältnis während der Inhaftierung des Kindes vom Ausbildungsbetrieb wirksam gekündigt wird. Denn auch im Falle des Fortbestehens des Ausbildungsverhältnisses tritt durch die Untersuchungshaft eine Unterbrechung der Ausbildung ein. Das Kind führte während der Untersuchungshaft jedenfalls weder im Rahmen seines bei dem Ausbildungsbetrieb begonnenen Ausbildungsverhältnisses weitere auf die Ausbildung gerichtete Maßnahmen (innerbetriebliche Ausbildung, Berufsschulbesuche) durch noch fand in der Haftanstalt eine andere Berufsausbildung statt.
Bei einer Unterbrechung der Ausbildung durch Untersuchungshaft des Kindes hat der BFH einen Kindergeldan-spruch ausnahmsweise trotz Fehlens von Ausbildungsmaßnahmen anerkannt. Allerdings genügt es nicht, dass das Kind später freigesprochen wird und deshalb die Unterbrechung seiner Ausbildung nicht zu vertreten hat. Voraussetzung ist vielmehr auch, dass es sich um eine nur „vorübergehende Unterbrechung“ der Ausbildung handelt. Das heißt, dass die Ausbildung nach der Haft weitergeführt oder neu begonnen wird. Und genau an diesem Punkt hakt es im Urteilsfall: Das Kind hat nach der Haft keine Berufsausbildung mehr begonnen oder fortgesetzt!
Zu prüfen wäre die Frage, ob das Kind „mangels Ausbildungsplatzes“ nicht berücksichtigt werden kann (gemäß § 32 Abs. 4 Nr. 2c EStG). Hierzu weist der BFH darauf hin, dass das Kind erstens sich ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemühen muss und zweitens die Ausbildungsstelle im Falle des Erfolgs seiner Bemühungen auch antreten kann. Folge: Eine unschädliche Unterbrechung wäre also zu bejahen, wenn das Kind bereits aus der Untersuchungshaft oder unverzüglich nach deren Ende sich ernsthaft um eine Ausbildungsstelle bemüht und diese Bemühungen glaubhaft nachweist. Dann bleibt bei einem Freispruch des Kindes der Anspruch auf Kindergeld oder Kinderfreibetrag auch während der Haftzeit erhalten.
Mein Sohn ist seit 30.1. In jugedhaft und bekomme trotzdem lt. Familien Kasse Kindergeld. Ist das möglich…?
Hallo Joachim,
die Zahlung von Kindergeld ist in der Regel an verschiedene Voraussetzungen geknüpft, darunter der Wohnort des Kindes, die Altersgrenzen und andere Bedingungen. Da Ihr Sohn sich in Jugendhaft befindet, kann dies möglicherweise Auswirkungen auf den Anspruch auf Kindergeld haben. In der Regel endet der Anspruch auf Kindergeld, wenn das Kind eine bestimmte Altersgrenze erreicht oder sich dauerhaft im Ausland aufhält.
Für detaillierte Informationen zum Kindergeld wenden Sie sich bitte direkt an die zuständige Familienkasse.
Bitte haben Sie Verständnis, dass wir aus rechtlichen Gründen keine individuelle steuerliche Beratung durchführen dürfen. Bei tiefergehenden Fragen wenden Sie sich daher bitte für eine verbindliche Auskunft an einen Steuerberater oder Rechtsanwalt in Steuerfragen in Ihrer Nähe.
Mit freundlichen Grüßen
Thilo Rudolph
Lohnsteuer-kompakt.de