Etwa drei Prozent aller Kinder sind weit überdurchschnittlich intellektuell befähigt und gelten somit als hochbegabt. Von hochbegabten Kindern wird häufig erwartet, dass sie sich in der Schule durch herausragende Leistungen auszeichnen. Das ist zwar bei vielen, aber doch nicht bei allen hochbegabten Kindern der Fall. Sie bringen oftmals schlechte Noten nach Hause (sog. Minderleister).
Häufig sind leider erst Auffälligkeiten in Familie, Kindergarten oder Schule Anlass für Eltern, Erzieher und Lehrer sich mit dem Thema „Hochbegabung“ auseinander zu setzen. Hochbegabte Kinder können Probleme in der Schule und im sozialen Umgang entwickeln. Oftmals ist dann eine psychologische Betreuung und therapeutische Behandlung durch Kinderpsychologen erforderlich. Die Krankenkassen lehnen eine Kostenübernahme ab, weil das Kind ja nicht krank sei. Die Frage ist, ob die Eltern die Kosten wenigstens steuermindernd absetzen können.
Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hatte Aufwendungen für die Therapie eines hochbegabten Kindes mitsamt Fahrt- und Übernachtungskosten in Höhe von 6.800 Euro als Krankheitskosten beurteilt und deshalb als außergewöhnliche Belastungen allgemeiner Art anerkannt (FG Rheinland-Pfalz vom 1.10.2013, 1 K 2747/12).
Aktuell hat der Bundesfinanzhof das Urteil der Vorinstanz verworfen und Aufwendungen für die Lerntherapie und Erziehungsberatung eines hochbegabten Kindes mit einem IQ über 130 nicht als außergewöhnliche Belastungen akzeptiert.
Und zwar aus den zwei nachfolgenden Gründen (BFH-Urteil vom 19.11.2015, VI R 45/14).
- Die Hochbegabung stellt noch keine Krankheit dar.
Die Auffälligkeiten, Unkonzentriertheit und Verweigerungshaltung des Kindes weisen auf eine chronische Unterforderung hin. Doch eine schulische Unterforderung ist keine Erkrankung. Offenbar diente die Therapie zur Verhinderung einer Krankheit, „um die Gefahr einer seelischen Behinderung zu vermeiden“. Demnach handelt es sich um gesundheitsfördernde Vorbeugemaßnahmen, die steuerlich nicht absetzbar sind.
- Der Nachweis der medizinischen Indikation fehlt.
Unterstellt man, dass die Aufwendungen doch Krankheitskosten darstellen, fehlt es am Nachweis der medizinischen Notwendigkeit. Denn bei psychotherapeutischen Behandlungen ist ein Nachweis durch amtsärztliches Attest oder eine Bescheinigung des Medizinischen Dienstes unbedingt erforderlich, wobei der Nachweis vor Beginn der Behandlung einzuholen ist (§ 64 Abs. 1 Nr. 2b EStDV).
Hinweis: Lobenswert ist die positive Entscheidung der Vorinstanz, des FG Rheinland-Pfalz, das die Aufwendungen anerkannt hatte. Nach Auffassung der Richter war eine Therapie erforderlich, um einer Krankheit entgegenzuwirken und die Gefahr einer seelischen Behinderung zu vermeiden. „Es kann den Eltern nicht zugemutet werden abzuwarten, bis das Kind diese seelische Behinderung hat, um dann diese Krankheit behandeln zu können.“ Bravo! Doch streng formalistisch rufen die BFH-Richter jetzt: „Kommando zurück! So pragmatisch und menschlich darf es nicht gehen!“
Lohnsteuer kompakt: Im Jahre 2011 hat der BFH bereits Aufwendungen für Schulbesuch und Internatsunterbringung eines hochbegabten Kindes als Krankheitskosten und damit als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG anerkannt. In diesem Fall ist es unschädlich, dass die Internatsunterbringung zugleich der schulischen Ausbildung dient.
In diesem Urteil weisen die BFH-Richter darauf hin, „dass nicht nur das medizinisch Notwendige im Sinne einer Mindestversorgung von der Heilanzeige erfasst wird. Medizinisch indiziert (angezeigt) ist vielmehr jedes diagnostische oder therapeutische Verfahren, dessen Anwendung in einem Erkrankungsfall hinreichend gerechtfertigt ist. Dieser medizinischen Wertung hat die steuerliche Beurteilung zu folgen!“ (BFH-Urteil vom 12.5.2011, VI R 37/10).