Außergewöhnliche Belastungen allgemeiner Art sind der Höhe nach unbegrenzt absetzbar (§ 33 EStG). Doch vorher müssen Sie einen Teil der Kosten selber übernehmen. Das Finanzamt kürzt Ihre Aufwendungen automatisch um die so genannte zumutbare Belastung, die sich nach der Höhe Ihres Einkommens, der Anzahl der Kinder und Ihrem Familienstand richtet (§ 33 Abs. 3 EStG).
Im Januar 2017 hat der Bundesfinanzhof überraschend festgestellt, dass die zumutbare Belastung bisher völlig falsch berechnet wurde. Bei der Berechnung wird nunmehr nur noch der Teil des Gesamtbetrags der Einkünfte, der den gesetzlichen Stufengrenzbetrag übersteigt, mit dem jeweils höheren Steuer-Prozentsatz belastet. Dies führt in der Regel zu einer früheren und etwas stärkeren Entlastung für die Steuerpflichtigen (BFH-Urteil vom 19.1.2017, VI R 75/14).
Die Grundsätze der Gerichtsentscheidung werden zwar bereits seit Juni 2017 in allen neuen Fällen bei der Einkommensteuerveranlagung berücksichtigt. Davor bekannt gegebene Steuerbescheide, die bereits im Vorgriff auf das Urteil insoweit vorläufig ergangen sind, sind aber vielfach noch nicht berichtigt worden.
Das wird nun aber in einer großen Aktion nachgeholt. Den Beginn macht Bayern, die anderen Bundesländer werden aber in Kürze nachziehen. Ein zusätzlicher Antrag ist üblicherweise nicht erforderlich.
Beispiel: Eheleute mit 2 Kindern haben einen Gesamtbetrag der Einkünfte (G.d.E.) von 60.000 Euro. Die Krankheitskosten betragen 5.000 Euro.
Enthält der Steuerbescheid den Vorläufigkeitsvermerk „Abzug einer zumutbaren Belastung (§ 33 Absatz 3 EStG) bei der Berücksichtigung von Aufwendungen für Krankheit oder Pflege als außergewöhnliche Belastung“, dann berechnet das Finanzamt automatisch die ansetzbaren außergewöhnlichen Belastungen nach den jetzt günstigeren Regelungen neu und versendet dann eine entsprechenden Änderungsbescheid.
Der Vorläufigkeitsvermerk wurde ab Ende August 2013 in die Einkommensteuerbescheide (auch für Änderungsbescheide) aufgenommen. Alle Fälle mit Vorläufigkeitsvermerk werden zurzeit automatisch von den Finanzbehörden erneut durchgerechnet. so dass viele Steuerzahler sich über einen Änderungsbescheid und eine Steuerminderung freuen können.
Vorteil der Neuberechnung: Das Finanzamt wendet die Regelung ohne weitere Prüfung zu Gunsten der Steuerzahler an und unterstellt, dass es sich bei den geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen um Krankheits- und Pflegekosten handelt.
Haben Sie bisher keine außergewöhnlichen Belastungen geltend gemacht, weil diese sich wegen der bisherigen zumutbaren Eigenbelastung nicht ausgewirkt hätten?
In diesem Fall muss man zwei Fälle unterscheiden:
- Fall 1: Enthält der Steuerbescheid den o.g. Vorläufigkeitsvermerk? Wenn „ja“, dann reichen Sie Ihrem Finanzamt jetzt die notwendigen Belege nach und stellen Sie einen Antrag auf Änderung Ihres Steuerbescheids nach § 165 Abs. 2 AO. Dann wird das Finanzamt die Ausgaben unter Anwendung der neuen günstigeren zumutbaren Eigenbelastung anerkennen.
- Fall 2: Wenn Ihr Steuerbescheid dagegen den Vorläufigkeitsvermerk nicht enthält, kann die neue Berechnungsmethode nur angewandt werden, wenn Sie gegen den damaligen Steuerbescheid Einspruch eingelegt haben und das Einspruchsverfahren noch läuft. Jetzt können Sie im Einspruchsverfahren zusätzlich beantragen, dass die neue günstigere Berechnungsmethode für die außergewöhnlichen Belastungen angewandt werden soll.
In allen anderen Fällen sieht es dagegen nicht gut aus. Selbst wenn Sie die Belege jetzt erstmals präsentieren, wird das Finanzamt den Steuerbescheid nicht mehr ändern, da diese neuen Tatsachen nicht rechtserheblich sind. D.h. nach der damaligen Rechtsansicht hätte das Finanzamt Ihre Ausgaben nicht anerkannt und dies ist die Voraussetzung für eine Änderung.
Ich habe kürzlich eine entsprechende Rückzahlung bekommen. Für das Jahr 2013. Weitere Steuerbescheide waren alle vorläufig. Kann ich für die Jahre 2014 bis 2016 auch noch mit einer Neufestsetzung rechnen?
Hallo Bettina,
alle Fälle mit Vorläufigkeitsvermerk werden zurzeit automatisch von den Finanzbehörden erneut durchgerechnet. Im Zweifelsfall sollten Sie bei Ihrem Finanzamt nachfragen.
Bitte haben Sie Verständnis, dass wir aus rechtlichen Gründen keine individuelle steuerliche Beratung durchführen dürfen. Bei tiefergehenden Fragen wenden Sie sich daher bitte für eine verbindliche Auskunft an einen Steuerberater oder Rechtsanwalt in Steuerfragen in Ihrer Nähe.
Mit freundlichen Grüßen
Thilo Rudolph
Lohnsteuer kompakt
WiFe
für bestimmte rezeptpflichtige Medikamente gibt es „Festpreise“. Falls der Betrag höher ist, wird von den Krankenkassen und der Beihilfe bei der Erstattung der Ausgaben der Differenzbetrag als „Eigenanteil“ abgezogen.
Meine Frage:
Kann der „Eigenanteil“ dann als außergewöhnliche Ausgaben bei der Steuererklärung angegeben werden?
Hallo Fernekes,
wenn Sie Zuzahlungen zu medizinisch notwendigen Behandlungen leisten oder Medikamente aus eigener Tasche bezahlen mussten, dürfen diese Ausgaben nach § 33 EStG grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung steuerlich abgesetzt werden.
Wenn Sie in der Steuererklärung Krankheitskosten, z.B. Zuzahlungen, Eigenbeteiligungen, Selbstbehalte, professionelle Zahnreinigungen, Behandlungen auf Privatrechnung usw., als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG geltend machen, zieht das Finanzamt davon automatisch die zumutbare Belastung ab.
Bitte haben Sie Verständnis, dass wir aus rechtlichen Gründen keine individuelle steuerliche Beratung durchführen dürfen. Bei tiefer gehenden Fragen wenden Sie sich daher bitte für eine verbindliche Auskunft an einen Steuerberater oder Rechtsanwalt in Steuerfragen in Ihrer Nähe.
Mit freundlichen Grüßen
Thilo Rudolph
Lohnsteuer kompakt
2016 bis 2018 sind hohe Kosten für die Krankheit meines Mannes angefallen. Diese habe ich in der gemeinsamen Steuererklärung angegeben. Der Hinweis auf Vorläufigkeit war in dem Bescheid enthalten. 2018 ist mein Mann verstorben. Nun habe ich eine andere Steuernummer. Wird dennoch nach dem neuen Recht nachgeprüft, ob zu viel Steuern gezahlt wurde?