Pflegeversicherungsbeiträge müssen ab dem zweiten Kind sinken

Niedrigere Pflegeversicherungsbeiträge ab dem zweiten Kind
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Eltern tragen mit ihrer Kindererziehungsleistung dazu bei, dass die Umlagesysteme der Sozialversicherung erhalten bleiben und ihre Kinder später die Rente, Pflege und medizinische Versorgung auch der Kinderlosen bezahlen. Dennoch müssen sie – genau wie Kinderlose – Beiträge zur Renten- und Krankenversicherung in voller Höhe zahlen. Sollen deshalb Mütter und Väter zum Ausgleich für die Erziehung ihrer Kinder geringere Beiträge in die Sozialversicherung einzahlen – und Kinderlose damit höhere Beiträge? Müssen die Pflegeversicherungsbeiträge jetzt gesenkt werden?

Im Jahre 2001 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, es verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz im Grundgesetz, dass „Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung, die Kinder betreuen und erziehen und damit neben dem Geldbetrag einen generativen Beitrag zur Funktionsfähigkeit eines umlagefinanzierten Sozialversicherungssystems leisten, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Mitglieder ohne Kinder belastet werden„.

Ein gleicher Versicherungsbeitrag führe somit zu einem Ungleichgewicht zwischen dem Gesamtbetrag der Eltern und dem reinen Geldbetrag der Kinderlosen (BVerfG-Urteil vom 3.4.2001, 1 BvR 1629/94). Aufgrund dieses Urteils müssen Kinderlose seit 2005 in der gesetzlichen Pflegeversicherung einen Beitragszuschlag von 0,25 Prozentpunkten zahlen, seit dem 1.1.2022 sind es 0,35 Prozentpunkte.

Im Jahre 2015 hat das Bundessozialgericht entschieden, dass gleich hohe Sozialbeiträge für Eltern und Kinderlose nicht gegen die Verfassung verstoßen. Eltern stehen also keine niedrigeren Beiträge zur Sozialversicherung zu (BSG-Urteile vom 30.9.2015, B 12 KR 15/12 R und B 12 KR 13/13 R). Im Jahre 2017 hat das Bundessozialgericht erneut bestätigt, dass die Erziehungs- und Betreuungsleistungen von Eltern nicht direkt bei der Bemessung der Sozialversicherungsbeiträge berücksichtigt werden müssen (BSG-Urteil vom 20.7.2017, B 12 KR 14/15).

Wegen der Benachteiligung von Eltern in der Sozialversicherung wurden mehrere Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Diese wenden sich gegen die gleichheitswidrige Benachteiligung von Versicherten mit Kindern durch das Beitragsrecht der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie gegen die o.g. Urteile des Bundessozialgerichts.

Aktuell hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die gesetzliche Regelung zur Erhebung der Pflegeversicherungsbeiträge verfassungswidrig ist, weil Eltern unabhängig von der Zahl der betreuten und erzogenen Kinder mit gleichen Beiträgen belastet werden. Eltern mit zwei und mehr Kindern sollen weniger zahlen müssen als Eltern mit einem Kind. Der Gesetzgeber muss bis zum 31.7.2023 eine entsprechende Neuregelung schaffen (BVerfG-Urteile vom 7.4.2022, 1 BvL 3/18, 1 BvR 2824/17, 1 BvR 2257/16, 1 BvR 717/16).

Hingegen ist die Beitragsregelung zur gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung verfassungsgemäß, weil Kinder dort durch Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten sowie durch die beitragsfreie Familienversicherung berücksichtigt werden. Hier sind also niedrigere Beiträge für Eltern nicht erforderlich.

 

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Es scheint ungerecht, dass die Erziehungsleistung der Eltern nicht mit verringerten Sozialversicherungsbeiträgen honoriert wird. Einerseits stützen sie das Sozialversicherungssystem, indem sie Beitragszahler in die Welt setzen. Andererseits bekommen sie eine geringere Rente, weil genau wegen der Kindererziehung häufig Brüche in der Erwerbsbiografie vorliegen. Von dem geltenden Beitragssystem profitieren kinderlose und reiche Versicherte.

Eine weitere Ungerechtigkeit ergibt sich aus der Pflegereform, deren erster Teil am 1.1.2015 in Kraft getreten ist, und dem dabei beschlossenen Pflegevorsorgefonds. Seitdem werden 0,1 Prozentpunkte der Pflegeversicherungsbeiträge in diesem Fonds angelegt. Dort soll das Geld 20 Jahre lang angespart werden, um Beitragssteigerungen abzumildern, wenn ab 2034 die geburtenstarken Jahrgänge das 75. Lebensjahr erreichen. Es ist schwer einsehbar, dass unterhaltsverpflichtete Eltern in gleicher Weise in den Pflegevorsorgefonds einzahlen müssen wie Kinderlose.

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