Seit 2017 ermöglicht die „Ehe für alle“ gleichgeschlechtlichen Paaren steuerliche Vorteile. Es besteht die Option, eingetragene Lebenspartnerschaften in Ehen umzuwandeln und den Splittingtarif anzuwenden. Aktuelle Gerichtsentscheidungen erlauben rückwirkende Steuervorteile und Erstattungszinsen. Informieren Sie sich über die neuesten Regelungen.
Seit dem 1.10.2017 ist die „Ehe für alle“ – und damit für gleichgeschlechtliche Paare – Wirklichkeit. Gesetzestechnisch war die Einführung eine simple Sache. Es musste lediglich in § 1353 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) klargestellt werden, dass auch gleichgeschlechtliche Personen eine Eheeingehen können. Grundlage ist das „Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts“ vom 20.7.2017.
- Bereits seit dem 1.8.2001 bestand für gleichgeschlechtliche Paare die Möglichkeit, eine eingetragene Lebenspartnerschaft zu begründen, welche in ihren Wirkungen der Ehe sehr nahe kam und zwischenzeitlich der Ehe tatsächlich nahezu gleichgestellt war (eingeführt mit dem „Lebenspartnerschaftsgesetz“ vom 16.2.2001).
- Im Jahre 2013 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass auch eingetragene Lebenspartnerschaften Anspruch auf die steuerliche Zusammenveranlagung mit dem Splittingtarif haben (BVerfG-Urteile vom 7.5.2013, 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07).
- Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, die Rechtslage rückwirkend ab dem 1.8.2001 – dem Tag, an dem das Lebenspartnerschaftsgesetz in Kraft getreten ist – zu ändern. Dies galt allerdings nur für diejenigen, die gegen ihre Steuerbescheide Einspruch eingelegt hatten („Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts“ vom 15.7.2013).
Im Jahre 2019 wurde mit dem „Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ zum 1.1.2019 eine sehr vorteilhafte Regelung für gleichgeschlechtliche Ehepaare aufgenommen: Bis zum 31.12.2020 konnten Ehepaare, die seit Oktober 2017 ihre Lebenspartnerschaft in eine Ehe umgewandelt hatten, die „Zusammenveranlagung mit Splittingtarif“ beantragen – und zwar rückwirkend bis zum Beginn der eingetragenen Lebenspartnerschaft. Dies war auch dann möglich, wenn die Steuerbescheide bereits bestandskräftig waren. Voraussetzung war, dass die eingetragene Lebenspartnerschaft bis zum 31.12.2019 in eine Ehe umgewandelt wurde (Artikel 97 § 9 Abs. 5 AO-Einführungsgesetz 2019).
War die Umwandlung der Lebenspartnerschaft in die Ehe ein „rückwirkendes Ereignis“ gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO, welches die Änderung eines bestandskräftigen Steuerbescheides ermöglicht? Ja, im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit wurde ausnahmsweise gesetzlich ein rückwirkendes Ereignis fingiert (und damit § 175 Abs. 1 Nr. 2 und Satz 2 AO anwendbar), wenn die Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe bis zum 31.12.2019 erfolgte und die Ehegatten bis zum 31.12.2020 gemeinsam die Änderung eines Steuerbescheids zwecks nachträglicher Berücksichtigung des Splittingtarifs beantragten.
Aktuell hat das Finanzgericht Sachsen entschieden, dass die rückwirkende Zusammenveranlagung ab Begründung der Lebenspartnerschaft (in 2006) auch dann möglich ist, wenn die Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe erst nach dem 31.12.2019 (und zwar am 4.7.2020) beantragt wurde (Sächsisches FG, Urteil vom 13.6.2023, 2 K 209/23, Revision III R 18/23).
Der Fall: Zwei Frauen leben seit dem 5.8.2006 in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Am 8.5.2020 geben sie eine Erklärung dazu ab, dass die Lebenspartnerschaft in eine Ehe überführt werden soll. Die bisher getrennt veranlagten Frauen beantragen am 14.7.2020 beim Finanzamt, sie in den Jahren 2006 bis 2009 gemeinsam zu veranlagen. Das Finanzamt lehnt ab, weil die o.g. Frist zur Umwandlung (31.12.2019) überschritten ist.
Nach Auffassung der Richter stellt die Umwandlung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft in eine Ehe ein „rückwirkendes Ereignis“ gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar, das die Zusammenveranlagung mit dem vorteilhaften Splittingtarif ermöglicht.
Auch wenn eingetragene Lebenspartner erst im Jahr 2020 rückwirkend ihre Lebenspartnerschaft in eine Ehe umgewandelt haben, können sie die Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer auch für bereits bestandskräftig einzelveranlagte Jahre (2006-2009) verlangen. Die im Gesetz (Art. 97 § 9 Abs. 5 AO) angeordnete Frist zur Umwandlung stehe dem nicht entgegen.
Die nachträgliche Gewährung des Splittingtarifs führt zu einer Steuererstattung. Auf diese Erstattung gibt es dann auch Erstattungszinsen in Höhe von damals satten 6 Prozent p.a. Der Zinslauf begann 15 Monate nach Ablauf des Jahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten war. Und das war die Umwandlung der Lebenspartnerschaft in die Ehe (§ 233a Abs. 2a AO).
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