Wenn Eheleute ein gemeinschaftliches Testament (sog. „Berliner Testament“) verfassen, erbt beim Tode des Erstversterbenden der überlebende Ehegatte das gesamte Vermögen alleine. Die Kinder haben allenfalls einen Pflichtteilsanspruch. Ansonsten erben sie erst beim Tode des Längerlebenden. Der Nachteil dieses Testaments ist, dass die Kinder nicht vom Erbschaftsteuerfreibetrag in Höhe von 400.000 Euro beim ersten Erbfall profitieren.
Um aber dennoch den Freibetrag für Kinder wenigstens teilweise zu nutzen, können die Eheleute für die Kinder beim ersten Erbfall ein Vermächtnis anordnen, das der überlebende Ehegatte ihnen gewähren muss (sog. Berliner Testament mit Freibetragsvermächtnis). Möglich ist dabei die Anordnung eines Geldvermächtnisses mit einem hinausgeschobenen Fälligkeitstermin (sog. betagte Forderung). Der Anspruch auf das Geldvermächtnis entsteht in diesem Fall bereits mit dem Erbfall des erstversterbenden Ehegatten. Die Fälligkeit des Anspruchs tritt jedoch nicht erst mit dem Tod des längerlebenden Ehegatten, sondern bereits zu einem früheren Zeitpunkt ein, z.B. nach 5 Jahren.
Der Erbe – der überlebende Ehegatte – kann das Vermächtnis sofort als Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 ErbStG abziehen und spart so Erbschaftsteuer. Bei einer um mehr als ein Jahr hinausgeschobenen Fälligkeit oder einer entsprechenden Ratenzahlungsverpflichtung hat eine Abzinsung zu erfolgen. Beim Vermächtnisnehmer bleibt der abgezinste Erwerb im Rahmen des Erbschaftsteuerfreibetrages steuerfrei. Aber was ist mit den Zinsen?
Aktuell hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass bei einem Berliner Testament Zinsen, die auf einer testamentarisch angeordneten Verzinsung eines betagten Vermächtnisanspruchs beruhen, beim Vermächtnisnehmer gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG als Kapitalertrag steuerpflichtig sind. Vorausgesetzt, er lässt sie sich auszahlen oder verfügt anderweitig über sie (BFH-Urteil vom 20.10.2015, VIII R 40/13).
Der Fall: Die Eheleute hatten ein Berliner Testament errichtet. Der Längerlebende sollte nach dem Tode des er-sten Ehegatten Alleinerbe werden. Die Ehegatten setzten dem Sohn nach dem ersten Erbfall als Vermächtnis einen Geldbetrag in Höhe des „beim Tode des Erstversterbenden geltenden Freibetrages“ bei der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer (400.000 Euro) aus. Dieser Betrag sollte aber erst fünf Jahre nach dem Tode des Erstversterbenden fällig werden. Der auszuzahlende Geldbetrag war mit 5 % bis zur Auszahlung zu verzinsen. Der Vater verstarb im Jahr 2009. Alleinerbin wurde die Mutter. Der Sohn forderte den fälligen Vermächtnisbetrag samt Zinsen von seiner Mutter bei Fälligkeit im Jahr 2014 nicht ein. Im Jahr 2015 verzichtete er auf seinen Geldanspruch aus dem Vermächtnis samt Zinsen.
Lohnsteuer kompakt: Da der Vermächtnisnehmer (Sohn) seinen Anspruch im Jahre 2014 nicht geltend gemacht hat, ist kein steuerpflichtiger Kapitalertrag entstanden. Ihm sind weder Zinsen gezahlt worden noch steht einer Auszahlung gleich, dass er es unterlassen hat, den fälligen Zinsanspruch gegenüber seiner Mutter geltend zu machen. Anders aber liegt der Fall im Jahre 2015: Durch den ausdrücklichen Verzicht auf Vermächtnis und Zinsen mittels notariellen Vertrages als Gegenleistung für eine Vorteilsgewährung der Erbin (Mutter) hat der Sohn wirtschaftlich über die Zinsen verfügt. Somit ist steuerlich ein Zufluss der Zinsen anzunehmen, der als Kapitalertrag zu versteuern ist.