Eltern tragen mit ihrer Kindererziehungsleistung dazu bei, dass die Umlagesysteme der Sozialversicherung erhalten bleiben und ihre Kinder später die Rente und medizinische Versorgung auch der Kinderlosen bezahlen. Sollen deshalb Mütter und Väter zum Ausgleich für die Erziehung ihrer Kinder geringere Beiträge in die Sozialversicherung einzahlen – und Kinderlose damit höhere Beiträge?
In der gesetzlichen Pflegeversicherung müssen Kinderlose bereits seit 2005 einen Beitragszuschlag von 0,25 Prozentpunkten zahlen. Im Jahre 2001 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, es verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz im Grundgesetz, dass „Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung, die Kinder betreuen und erziehen und damit neben dem Geldbetrag einen generativen Beitrag zur Funktionsfähigkeit eines umlagefinanzierten Sozialversicherungssystems leisten, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Mitglieder ohne Kinder belastet werden“. Ein gleicher Versicherungsbeitrag führe somit zu einem Ungleichgewicht zwischen dem Gesamtbetrag der Eltern und dem reinen Geldbetrag der Kinderlosen (BVerfG-Urteil vom 3.4.2001, 1 BvR 1629/94).
Aktuell hat das Bundessozialgericht ein Musterverfahren mit grundsätzlicher und weitreichender Bedeutung entschieden: Gleich hohe Sozialbeiträge für Eltern und Kinderlose verstoßen nicht gegen die Verfassung. Eltern stehen also keine niedrigeren Beiträge zur Sozialversicherung zu.
Der Gesetzgeber habe viel Spielraum zu entscheiden, wie er das Sozialversicherungsrecht gestaltet. Es sei dabei legitim, wenn er den Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern in verschiedenen Regelungen des Leistungsrechts berücksichtige. Zu nennen seien beispielsweise die Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung und die beitragsfreie Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Doch nur weil der Gesetzgeber dies in einem Bereich nicht ausreichend tue, sei dies noch kein Verstoß gegen die Verfassung (BSG-Urteil vom 30.9.2015, B 12 KR 15/12 R).
Der Fall: Ein Elternpaar hat drei Kinder groß gezogen und damit einen Beitrag dazu geleistet, die Sozialsysteme zu erhalten. Deshalb begehrten sie eine Entlastung bei ihren Beiträgen zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung. Sie forderten von den Sozialversicherungsträgern, die Beiträge von ihnen als Eltern generell nur nach der Hälfte der bisherigen Bemessung zu erheben, hilfsweise bei der Beitragsbemessung einen Betrag von 833 Euro je Kind und Monat bzw. hilfsweise einen Betrag in Höhe des steuerlichen Existenzminimums abzuziehen.
Lohnsteuer kompakt: Endgültig entschieden ist der Fall noch nicht. Nach ihrer Niederlage vor dem Bundessozialgericht haben die Eltern angekündigt, Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einzulegen. Unterstützt werden sie vom Familienbund der Katholiken und dem Deutschen Familienverband. Die beiden Verbände haben bislang alle Eltern dazu aufgerufen, bei den Krankenkassen Widerspruch gegen die Beitragshöhe einzulegen. Aufgrund der anhängigen Verfassungsbeschwerde bleiben die Widersprüche weiterhin ruhen bis zu einer endgültigen Entscheidung.