Grundsteuer: Aktuelle Entwicklungen zu den Einsprüchen

Grundsteuer: Aktuelle Entwicklungen zu den Einsprüchen
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Die meisten Immobilieneigentümer haben in den vergangenen Monaten die Grundsteuererklärung abgegeben und halten auch schon ihren Bescheid über den Grundsteuerwert in den Händen. Es bleibt aber bei der Grundsteuer ein ungutes Gefühl: Sind die angegeben Werte wirklich korrekt, das heißt, stimmen die Größe der Wohnfläche, das Baujahr oder die Bodenwerte wirklich? Und hat das Finanzamt seinerseits mit korrekten Zahlen gerechnet? Etwas kryptisch sind die Grundsteuerwertbescheide allemal.

Und dann hat auch noch ein bekannter Verfassungsrechtler, Professor Dr. Gregor Kirchhof, geäußert, dass die neue Grundsteuer zumindest in einigen Bundesländern verfassungswidrig sein soll (Focus online: Top-Jurist Kirchhof „Die neue Grundsteuer ist in einigen Bundesländern verfassungswidrig“). Betroffen sind zumindest die Länder, die das so genannte Bundesmodell anwenden. Das sind: Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen, das Saarland und Sachsen.

Mittlerweile zeigt sich, dass sehr viele Immobilieneigentümer Einspruch gegen die Bescheide über die Feststellung der Grundsteuerwerte eingelegt haben. Aber wie geht es mit den Einsprüchen nun weiter? Antwort: Zwar besteht derzeit kein rechtlicher Anspruch auf ein Ruhen des eigenen Verfahrens, da es noch kein Fall bis vor den Bundesfinanzhof geschafft hat. Doch offenbar wird ein Ruhen des Verfahrens faktisch zumeist doch gewährt.

Mitteilung des Landesamts für Steuern Rheinland-Pfalz

Die Praxis zeigt, dass die meisten Finanzämter mit der Flut der Einsprüche überfordert sind. Und so werden diese überwiegend – zumeist stillschweigend – einfach liegen gelassen. Das Landesamt für Steuern (LfSt) Rheinland-Pfalz schreibt dazu sogar im Rahmen einer Pressemeldung vom 11.4.2023:

  • Nachdem in Rheinland-Pfalz der Großteil der insgesamt rund 2,5 Millionen zu erwartenden Grundsteuererklärungen eingetroffen ist und bereits rund 907.000 Grundsteuerwert- und Grundsteuermessbescheide versandt wurden, gehen auch Einsprüche gegen die Bescheide in den Finanzämtern ein. Aktuell wurden rund 94.000 Einsprüche in den Finanzämtern erfasst. Eine schriftliche oder telefonische Eingangsbestätigung bei in Papierform übermittelten Einsprüchen erfolgt nicht. Die Finanzämter bitten daher von solchen Anforderungen abzusehen. Wer jedoch den Einspruch über das ELSTER-Portal – hier unter  „Alle Formulare / Anträge, Einspruch und Mitteilungen“:https://www.elster.de/eportal/formulare-leistungen/alleformulare/einspruch abgibt, erhält, ebenso wie bei der Übermittlung einer Steuererklärung, automatisch eine Versandbestätigung.
  • Hinweis zum Ruhen der Einspruchsverfahren: Wird mit dem Einspruch ausschließlich die Verfassungsmäßigkeit des neuen Rechts angezweifelt und das Ruhen des Verfahrens beantragt, gewähren die Finanzämter dies grundsätzlich stillschweigend (sog. Zweckmäßigkeitsruhe). Auch ohne ausdrücklichen Antrag gehen die Finanzämter aus verwaltungsökonomischen Gründen davon aus, dass Einspruchsführer, die sich ausschließlich auf die Verfassungsmäßigkeit des neuen Rechts beziehen, einer Verfahrensruhe aus Zweckmäßigkeitsgründen zustimmen. Sofern der Steuerpflichtige deutlich macht, dass er ein eigenes Gerichtsverfahren führen möchte, sind die Finanzämter angehalten, diesem Begehren nachzukommen und über den Einspruch durch Einspruchsentscheidung zu entscheiden.

Mitteilung des Thüringer Finanzministeriums

Ähnlich wie das Landesamt für Steuern Rheinland-Pfalz äußert sich das Thüringer Finanzministerium in seiner Medieninformation vom 18.4.2023: „Aktuell liegen den Finanzämtern 49.881 Einsprüche in Zusammenhang mit der Grundsteuerreform vor. Als Einspruchsbegründung werden häufig verfassungsrechtliche Zweifel an dem zu Grunde liegenden Bewertungs- bzw. Grundsteuerrecht angebracht. Bei verfassungsrechtlichen Bedenken liegen die Voraussetzungen für eine so genannte „Zwangsruhe des Einspruchsverfahrens“ oder eines „Vorläufigkeitsvermerks“ in der Regel erst dann vor, wenn ein Verfahren beim Bundesfinanzhof oder beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist. Das ist aktuell zwar noch nicht der Fall, allerdings können bereits jetzt die Einspruchsverfahren gegen den Grundsteuerwertbescheid aus Zweckmäßigkeitsgründen ruhen. Dafür muss ein relevantes Verfahren vor einem Finanzgericht rechtsanhängig sein. Entsprechende Verfahren für das so genannte Bundesmodell, welches auch von Thüringen angewandt wird, sind bereits bei den Finanzgerichten Berlin-Brandenburg oder Sachsen anhängig. Außerdem wird die Zustimmung der Bürger benötigt. Diese wird von den Thüringer Finanzämtern aus verwaltungsökonomischen Gründen jedoch unterstellt. Im Ergebnis werden Einsprüche, in denen verfassungsrechtliche Bedenken geäußert werden, von der Bearbeitung zurückgestellt, bis ein Verfahren am Finanzgericht oder einer höheren Instanz entschieden ist.“

Mitteilung des Bundes der Steuerzahler

Der Bund der Steuerzahler lässt in einer Pressemitteilung vom 18.4.2023 verlauten: „Musterklagen zur Grundsteuer kommen: Das Bundesmodell ist verfassungswidrig!“ Es verweist auf ein Rechtsgutachten von besagtem Professor Dr. Gregor Kirchhof, das der Verfassungsrechtler im Auftrag des Bundes der Steuerzahler Deutschland sowie Haus & Grund Deutschland angefertigt hat. Das Papier diene nun als Grundlage für die anvisierten Musterklagen der beiden Verbände gegen das Bundesmodell, das in elf Ländern gilt. Bei der Vorstellung des Gutachtens in Berlin verwiesen BdSt-Präsident Reiner Holznagel und Haus & Grund-Präsident Dr. Kai H. Warnecke auf derzeit sechs geplante Musterprozesse in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen und zwei in Nordrhein-Westfalen.

Es würden fünf entscheidende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit würden vorliegen (Quelle: Bund der Steuerzahler vom 18.4.2023). In Kurzform ausgedrückt sind das:

  • Der Bund schafft kein eigenes Bewertungssystem für die Grundsteuer, obwohl das Bundesverfassungsgericht ein solches System ausdrücklich verlangt hat.
  • Die Bodenrichtwerte weisen „systematische Bewertungslücken“ auf.
  • Der Bund hat eine äußerst komplexe Bewertung entwickelt, die im Massenverfahren nur schwer anwendbar ist. Manchmal sind die Parameter kompliziert zu ermitteln (Brutto-Grundfläche), andere genutzte Kriterien sind realitätsfern und deshalb gleichheitswidrig (pauschale Nettokaltmieten, Bodenwert).
  • Der grundlegende Fehler des Bundesmodells liegt darin, den Grund der Belastung nicht erkennbar zu regeln und zu versuchen, den Wert von Grund und Boden grob zu ermitteln. Doch Immobilienwerte müssen entweder anhand zahlreicher Kriterien genau bewertet oder in einfachen, gleichheitsgerechten Pauschalierungen steuerlich bemessen werden. Das Bundesgesetz wählt aber einen verfassungswidrigen Mittelweg.
  • Die Bewertung nach dem Bundesmodell verursacht strukturell eine mehr als doppelt so hohe finanzielle Belastung der Betroffenen im Vergleich zu den einfacheren Modellen in Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen.

Wer einen Einspruch gegen die Grundsteuer einlegen möchte, weil er den festgestellten Grundsteuerwert als zu hoch oder die Festsetzung als verfassungswidrig empfindet, kann eventuell folgendes Muster verwenden:

Sehr geehrte Damen und Herren,hiermit legen wir gegen den Bescheid über die Feststellung des Grundsteuerwertes vom …….. Einspruch ein. Gleichzeitig beantragen wir ein Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über eine eventuelle Verfassungswidrigkeit des aktuellen Bewertungs- und Grundsteuergesetzes. Derzeit sind zwar noch keine Klagen beim Bundesverfassungsgericht oder einem obersten Bundesgericht anhängig, doch aller Voraussicht wird es solche bereits in Kürze geben.

Zur weiteren Begründung erlauben wir uns, Sie auf die Aussagen des bekannten Verfassungsrechtlers Professor Gregor Kirchhof in Focus online aufmerksam zu machen. Der Link zu dem Beitrag lautet: https://www.focus.de/immobilien/top-jurist-kirchhof-die-neue-grundsteuer-ist-in-einigen-bundeslaendern-verfassungswidrig_id_180400520.html).

So hat Herr Professor Kirchhof unter anderem ausgeführt: „Eigentlich sollte eine gleichheitsgerechte Vereinfachung gelingen. Doch ist das System weiterhin zu kompliziert.“ Die vielen Parameter würden sich nicht „zu einem folgerichtigen Bewertungssystem“ verbinden. „Die Grundsteuer des Bundes ist bereits deshalb gleichheitswidrig“.

Auch verweisen wird auf die Pressemitteilung des Bundes der Steuerzahler vom 18.4.2023. Hierin wird auf ein Rechtsgutachten von Herrn Professor Kirchhof hingewiesen, das der Verfassungsrechtler im Auftrag des Bundes der Steuerzahler Deutschland sowie Haus & Grund Deutschland angefertigt hat. Das Papier dient nun als Grundlage für die anvisierten Musterklagen der beiden Verbände gegen das Bundesmodell, das in elf Ländern gilt.

Wir würden es unbillig empfinden, wenn einem Ruhen des Verfahrens nicht entsprochen wird, zumal zumindest in Rheinland-Pfalz und in Thüringen bereits eine so genannte Zweckmäßigkeitsruhe gewährt wird (Landesamt für Steuern Rheinland-Pfalz, Pressemeldung vom 11.4.2023; Thüringer Finanzministerium, Medieninformation vom 18.4.2023).

Hinweis: Bei dem Muster handelt es sich nur um einen Vorschlag, der individuelle Besonderheiten natürlich nicht berücksichtigen kann. Im Einzelfall ist er – gegebenenfalls unter Hinzuziehung einer Steuerfachfrau oder eines Steuerfachmanns – entsprechend anzupassen. Und selbstverständlich kann der Erfolg des Einspruchs nicht garantiert werden.

Fazit: Es kann nicht schaden, gegen den Bescheid über die Feststellung des Grundsteuerwertes Einspruch einzulegen. Mittlerweile werden die Einsprüche – anders als in den ersten Wochen nach Bekanntwerden des Kritik von Herrn Professor Kirchhof – zumeist nicht mehr sofort abgeschmettert. Aber: Legen Sie keinen Einspruch ein und stellen Sie im Nachhinein dennoch Fehler im Grundsteuerwertbescheid fest, sind Sie nicht ohne Rechte. § 222 BewG regelt die Möglichkeit der so genannten Fortschreibungen. Nach Absatz 1 gilt: „Der Grundsteuerwert wird neu festgestellt (Wertfortschreibung), wenn der in Euro ermittelte und auf volle 100 Euro abgerundete Wert, der sich für den Beginn eines Kalenderjahres ergibt, von dem entsprechenden Wert des letzten Feststellungszeitpunkts nach oben oder unten um mehr als 15.000 Euro abweicht.“ Besonders relevant ist zudem Absatz 3 der Vorschrift: „Eine Fortschreibung … findet auch zur Beseitigung eines Fehlers der letzten Feststellung statt.“ Es bestehen also auch jenseits eines Einspruchs Korrekturmöglichkeiten.

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