Abgeltungssteuer: Wie negative Kapitaleinkünfte doch verrechnet werden können

Abgeltungssteuer: Wie negative Kapitaleinkünfte doch verrechnet werden können
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Positive und negative Kapitaleinkünfte, die der Abgeltungssteuer unterliegen, werden grundsätzlich im laufenden Jahr miteinander verrechnet. Verbleiben am Jahresende negative Einkünfte aus Kapitalvermögen, dürfen diese nicht mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden. Sie dürfen nicht in das Vorjahr zurückgetragen werden, sondern nur in den künftigen Jahren mit positiven Kapitaleinkünften verrechnet werden.

Zugelassen ist also ein Verlustvortrag innerhalb der Einkünfte aus Kapitalvermögen, und zwar zeitlich unbegrenzt und in unbeschränkter Höhe (§ 20 Abs. 6 EStG).

Was aber gilt, wenn Sie negative Kapitalerträge haben, die der Abgeltungssteuer unterliegen, und positive Kapitalerträge, die mit dem individuellen Steuersatz versteuert werden? Die Finanzverwaltung bestimmt, dass „Verluste aus Kapitaleinkünften, die dem Abgeltungssteuersatz unterliegen, nicht mit positiven Kapitaleinkünften, die dem individuellen Steuersatz unterliegen, verrechnet werden“ dürfen (BMF-Schreiben vom 18.1.2016, BStBl. 2016 I S. 85, Tz. 119a).

Aktuell hat der Bundesfinanzhof gegen den Fiskus entschieden, dass eine Verlustverrechnung von negativen Kapitaleinkünften, die unter die Abgeltungssteuer fallen (der Normalfall), mit positiven Kapitaleinkünften, die mit individuellem Steuersatz versteuert werden (z.B. Zinsen aus einem Privatdarlehen einer nahe stehenden Person, die diese steuerlich absetzen kann), doch zulässig ist.

Dies ist möglich im Rahmen der Günstigerprüfung gemäß § 32d Abs. 6 EStG, die mittels Wahlveranlagung zum individuellen Steuersatz beantragt werden kann (BFH-Urteil vom 30.11.2016, VIII R 11/14, veröffentlicht am 12.4.2017).

  • Voraussetzung für die Verlustverrechnung ist, dass der Sparer einen Antrag auf Günstigerprüfung stellt (gemäß § 32d Abs. 6 EStG).
  • Im Rahmen der Günstigerprüfung werden die der Abgeltungssteuer unterliegenden negativen Kapitaleinkünfte mit den regelbesteuerten Kapitaleinkünften saldiert und der Saldo dem übrigen Einkommen hinzugerechnet. Das Ganze wird in die Einkommensteuerveranlagung einbezogen und mit dem persönlichen Steuersatz belastet, sofern dies zu einer niedrigeren Einkommensteuer führen kann. Auf die so ermittelte Steuerschuld wird die bereits einbehaltene Abgeltungssteuer angerechnet, sodass mit einer Steuererstattung zu rechnen ist.
  • Dem Wortlaut der Günstigerprüfung ist nicht zu entnehmen, dass die Kapitaleinkünfte, die den übrigen Einkünften hinzuzurechnen sind, positiv sein müssen. Die Norm stellt auf „Kapitaleinkünfte“ ab, was offenkundig auch Negativbeträge umfasst:

„Nach den Gesetzen der Mathematik sind auch negative Zahlen ohne Weiteres addier- und subtrahierbar, können also hinzugerechnet werden.“

  • Durch die Antragstellung können Sparer, deren Belastung mit der tariflichen Einkommensteuer auf Kapitaleinkünfte niedriger als der Abgeltungssteuertarif von 25 % ist, erreichen, dass ihre Einkünfte aus Kapitalvermögen mit den übrigen Einkünften diesem niedrigeren Steuersatz unterworfen werden.
  • Im Rahmen der Günstigerprüfung können jedoch negative Kapitaleinkünfte nicht unbegrenzt den anderen Einkünften hinzugerechnet werden. Denn eine generelle Verlustverrechnung negativer Einkünfte aus Kapitalvermögen mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten im Wege der Günstigerprüfung ist gemäß § 20 Abs. 6 Satz 2 EStG ausgeschlossen. Durch Verrechnung von negativen und positiven Kapitalerträgen dürfen also die Kapitaleinkünfte insgesamt nicht negativ werden.

Lohnsteuer kompakt

Für die Günstigerprüfung müssen Sie sämtliche Kapitalerträge in der „Anlage KAP“ angeben und diese Anlage der Steuererklärung beifügen. Fügen Sie die Steuerbescheinigung(en) bei, die Sie von der Bank bzw. den Banken zum Nachweis des Steuereinbehalts anfordern müssen.

7 Kommentare zu “Abgeltungssteuer: Wie negative Kapitaleinkünfte doch verrechnet werden können”:

  1. Ralph Pretzel

    Hallo,
    gibt es eine Möglichkeit Verluste bei Bank A, die im Jahr 2021 entstanden sind noch mit Gewinnen bei Bank B gleicher Art (Kapitalerträge) in der Steuerklärung 2021 zu verrechnen, auch wenn man nicht daran gedacht hat, eine Verlustbescheinigung bis Dezember 2021 zu beantragen?

    Vielen Dank.

    1. Thilo Rudolph Autor

      Hallo Ralph,

      Banken führen ein sog. virtuellen „Verlustverrechnungstopf“; ist dieser am Jahresende negativ, gibt es zwei Möglichkeiten (§ 43a Abs. 3 Satz 4 und 5 EStG):

      • Sie tun nichts. Dann trägt die Bank den nicht ausgeglichenen Verlust auf das nächste Jahr vor, um künftig fällige Zins- oder Dividendengutschriften oder Veräußerungsgewinne ohne Steuerabzug auszahlen zu können, sog. Verlustübertrag.
      • Sie beantragen, dass die Bank Ihnen eine Bescheinigung über den verbleibenden Verlust ausstellt. Dann wird der Verlustverrechnungstopf auf Null gestellt. Mit dieser Verlustbescheinigung können Sie den Verlustbetrag dann in Ihrer Steuererklärung geltend machen und ggf. mit positiven Kapitalerträgen anderer Bankinstitute verrechnen lassen.

      Wenn Sie also keine Verlustbescheinigung beantragt haben, sind die Verluste nicht „verloren“ sondern werden bei der Bank weitergeführt.

      Bitte haben Sie Verständnis, dass wir aus rechtlichen Gründen keine individuelle steuerliche Beratung durchführen dürfen. Bei tiefergehenden Fragen wenden Sie sich daher bitte für eine verbindliche Auskunft an einen Steuerberater oder Rechtsanwalt in Steuerfragen in Ihrer Nähe.

      Mit freundlichen Grüßen

      Thilo Rudolph
      Lohnsteuer kompakt

  2. andreas schuberth

    hallo,

    ich versuche zu verstehen, ob ich in meiner situation die veranlagung zur normalen Versteuerung aendern kann um verluste von 2021 und 2022 zurücktragen zu können. seit 2015 mache ich zuhause day trading (als einzigen job). dies ist bis jetzt als Kapitalertragssteuer veranlagt worden. von 2015 bis 2019 habe ich insgesamt €300,000 damit Verluste angesammelt. im jahr 2020 habe ich einen gewinn von €1,000,000 gemacht und wiederum als Veranlagung die Kapitalertragssteuer ausgewählt. der Steuerbescheid liegt noch nicht vor, aber mir wurde gesagt, dass ich mit einer Steuerschuld von über €150,000 rechnen muss. dies kann ich in keinster weise bezahlen, zumal in 2021 und 2022 wieder hohe Verluste (€60,000 in ’21 und €20,000 in 22) angefallen sind und die werte meiner aktien um 80% gefallen sind. also verluste von ’15 – ’19, gewinn in ’20 und verluste in ’21 und ’22. kann ich eine andere, also eine normale Einkommensteuer veranlagung auswählen, um die verluste von ’21 und ’22 zurückzutragen und wenn ja, was hätte dies fuer Nachteile bzw. wie kann ich dies genehmigt bekommen? vielen herzlichen dank.

    1. Thilo Rudolph Autor

      Hallo andreas,

      wenden Sie sich bitte für eine Beratung an einen Steuerberater oder Rechtsanwalt in Steuerfragen.

      Bitte haben Sie Verständnis, dass wir aus rechtlichen Gründen keine individuelle steuerliche Beratung durchführen dürfen. Bei tiefergehenden Fragen wenden Sie sich daher bitte für eine verbindliche Auskunft an einen Steuerberater oder Rechtsanwalt in Steuerfragen in Ihrer Nähe.

      Mit freundlichen Grüßen

      Thilo Rudolph
      Lohnsteuer-kompakt.de

  3. K. Kleinhans

    Guten Tag,
    im Jahr 2002 entstanden Verluste aus Aktienverkäufen in Höhe von 19700.- €.
    Im Jahr 2021 entstanden Gewinne aus Aktienverkäufen in ähnlicher Weise.
    Finanzamt sagt nun es gibt keine Verrechnung, dies wäre nur möglich für Gewinne aus Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften.
    Ist diese Sichtweise so korrekt ?

    1. Thilo Rudolph Autor

      Hallo K. Kleinhans,

      in Deutschland ist es grundsätzlich möglich, Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften, wie z.B. Aktienverkäufen, mit Gewinnen aus ähnlichen Geschäften zu verrechnen. Allerdings gibt es Bedingungen und Fristen, die beachtet werden müssen.

      Da Ihre Verluste aus dem Jahr 2002 stammen und Ihre Gewinne aus dem Jahr 2021, könnte die Frist für die Verrechnung der Verluste abgelaufen sein. Früher gab es eine Verjährungsfrist von vier Jahren für die Verlustverrechnung, die jedoch seit 2008 abgeschafft wurde. Ihre Verluste aus 2002 könnten verjährt sein.

      Es ist auch möglich, dass das Finanzamt Ihre Verluste aus dem Jahr 2002 nicht als private Veräußerungsgeschäfte ansieht oder dass es andere Gründe gibt, warum die Verrechnung nicht möglich ist.

      In Ihrem Fall sollten Sie sich an einen Steuerberater oder einen Anwalt für Steuerrecht wenden, um Ihre spezifische Situation zu klären und professionelle Hilfe zu erhalten.

      Bitte haben Sie Verständnis, dass wir aus rechtlichen Gründen keine individuelle steuerliche Beratung durchführen dürfen. Bei tiefergehenden Fragen wenden Sie sich daher bitte für eine verbindliche Auskunft an einen Steuerberater oder Rechtsanwalt in Steuerfragen in Ihrer Nähe.

      Mit freundlichen Grüßen

      Thilo Rudolph
      Lohnsteuer-kompakt.de

  4. Kluge

    Hallo,
    werden Verluste gem. § 20 Abs. 6 S. 6 vorgetragen oder gehen sie unter, wenn im Rahmen der Günstigerprüfung die Veranlagung zur ESt zu einer höheren Belastung als die vorgenommene Abgeltungssteuer führt?

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